Mikroalgen, sprich Algen die ohne Bindung an ein Substrat frei im Wasser schwimmen, stehen schon lange im Fokus der Wissenschaft und mittlerweile auch im Fokus einiger Firmen. Ihnen wird nachgesagt Teil vieler Problemlösungen und zudem noch lukrativ zu sein.
Es stellt sich die Frage: Wird ihr wirtschaftliches und ökologisch positives Potenzial bisweilen einfach noch nicht voll genutzt oder stehen den grünen Multifunktionsorganismen schlicht und ergreifend technische Schwierigkeiten und hohe Investitionskosten im Weg?
Um das Thema zu beleuchten, lud Agrobusiness Niederrhein in Kooperation mit der Hochschule Rhein Waal zur Infoveranstaltung Nutzungspotenziale von Mikroalgen ein. Die Veranstaltung fand im Rahmen des Projekts Cross Innovation Lab Niederrhein statt, gefördert durch das EFRE Programm der EU und des Landes NRW.
Als Referentin mit dabei war Dr. Christina Kuchendorf vom Forschungszentrum Jülich.
Dr. Kuchendorf, mit einem Hintergrund in Biologie, Informatik und Sensortechnik, beschäftigt sich seit 2013 mit der Thematik.
Wenn man Mikroalgen kultiviert, ist für das bloße Auge zunächst nur grün eingefärbtes Wasser zu sehen, denn die einzelnen Mikroalgen bestehen aus einer bis zu wenigen Zellen.
Was haben Algen in sich? Was können Algen? Algenzellen beinhalten eine große Menge an Ölen, darunter das gesundheitsförderliche Omega-3-Fett und haben einen hohen Proteingehalt. Sie nehmen CO2 aus der Atmosphäre auf und reichern ihre Umgebung mit Sauerstoff an und das sehr effizient, denn sie produzieren Biomasse 10 bis 40 Mal schneller als Landpflanzen. Das bedeutet natürlich auch, dass sie den Gewässern, in denen sie wachsen, sehr schnell überschüssige Nährstoffe wie zum Beispiel Stickstoff und Phosphor entziehen. In zu nährstoffreichen Gewässern (z.B. durch Abwässer oder Abfluss kultivierten Flächen) kann diese Eigenschaft zur Eutrophierung, d.h. explosionsartigem Algen- und Bakterienwachstum führen und ist unerwünscht. Diese Eigenschaft kann man sich aber auch zunutze machen, um kontrolliert Wasser von überschüssigen Nährstoffen zu reinigen.
Abgesehen davon sind bestimmte Teile der Zellen einiger Algen Spezies interessant in der Lebensmitteltechnik (z.B. Farbpigmente), Pharmazie und Kosmetik.
Ihr vergleichsweise hoher Omega-3-Gehalt und Proteinanteil stellen sehr nahrhafte Lebensmittel/Nahrungsergänzungsmittel dar und haben positive Auswirkungen als Beimischung in Tierfutter.
Im sonnig warmen Südeuropa baut man bereits Mikroalgen an, aber auch hierzulande gibt es bestehende Produktion. Sogar weiter nördlich von Deutschland ist man in einigen Start Ups dabei die Kultivierungsoptionen für Mikroalgen zu optimieren. Häufig werden dabei die bereits bekannteren Kulturen wie Spirulina oder Chlorella verwendet.
Eine Firma aus Schweden geht darüber hinaus davon aus, dass 20 % der synthetischen Inhaltsstoffe in der Kosmetikindustrie, wie zum Beispiel Mikroplastik, durch Algenzellbestandteile zu ersetzen sind, es möglich ist, die Effizienz von Solarpanelen durch algenbasiertes Silica zu verbessern, sowie das Fassungsvermögen von Batterien zu erhöhen.
Ihre Fähigkeit CO2 aufzunehmen wird in der Industrie zur Verringerung von Emissionen in Erwägung gezogen und ihre Fähigkeit Nährstoffe schnell aus dem Wasser zu ziehen, dazu Abwasser zu reinigen und wertvolle Rohstoffe wie Phosphor zurückzugewinnen.
Wie aber kann man Algen anbauen? Dazu gibt es mehrere Antworten: Häufig werden Röhrensysteme, durchsichtige Beutel oder offene Pools verwendet. Wichtig ist in jedem Fall, dass die Algen ans Licht kommen und gleichmäßig mit CO2 und Nährstoffen versorgt werden. Deshalb ist die Wassertiefe dieser Systeme häufig flach und das Wasser wird durch eine Luftpumpe oder ein Schaufelrad vermischt. Während sich offene Systeme zur schnellen, günstigen Produktion oder zur Wasserreinigung eignen, eignen sich geschlossene Systeme eher dann, wenn qualitativ hochwertige Produkte für die Pharma- oder Kosmetikbranche produziert werden sollen.
© Forschungszentrum Jülich (geschlossener Anbau) ©wikimedia/Ivan Castilho (offener Anbau)
Eines ist jedoch wichtig: Man muss die Algen ernten, das heißt vom Wasser trennen, um sie zu verwenden. Einsatzmöglichkeiten werden als Düngerzusatz (das Forschungszentrum Jülich hat hierzu bereits erste Daten gesammelt) oder in der Biogasanlage gesehen.
Die Trennung von Algen und Wasser kann über mehrere Wege geschehen. Dazu gehört die Zentrifugation, der Einsatz von Flockungsmitteln oder die Filtration. Jedoch sind zumindest einige dieser Methoden sehr energieaufwendig und dadurch mit hohen Kosten verbunden. Energiekosten entstehen natürlich auch im Wachstumsprozess der Algen. Je nach Jahreszeit und Algenspezies brauchen sie Wärme und/oder künstliches Licht. Ein weiterer Kostenfaktor ist die initiale Investition in die Algenkultivierung und die damit verbundene nötige Technik. Optimale Temperatur, Nährstoffversorgung und pH-Wert müssen gewährleistet sein.
Die Nutzung der Algen hängt auch vom verwendeten Wasser und der Nährstoffversorgung ab. Werden die Algen zur Reinigung von Abwässern eingesetzt, ist es Möglichkeit, dass die Algen nicht nur das Phosphor, den Stickstoff und andere Nährstoffe aufgenommen haben, sondern auch Schwermetalle und andere Schadstoffe. Eine solche Kontamination der Algenkultur lässt dann deutlich weniger Optionen für den Nutzen der gewonnenen Biomasse.
Auf juristischer Seite hat man zudem noch Stellschrauben einzustellen, denn bei der Nutzung ist weiterhin die Gesetzes- und Verordnungslage zu berücksichtigen. Die sei, wie sich in der an den Vortrag anschließenden Diskussion ableiten ließ, derzeit unvollständig oder nicht an aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen orientiert.
Fazit: Es sind Potentiale für den Einsatz von Mikroalgen erkennbar. Darüber hinaus besteht weiterhin Forschungsbedarf. Erste Pioniere aus dem Gartenbau in Deutschland sind in die Produktion von Algen für die Nahrungsmittelproduktion eingestiegen. Die Wirtschaftlichkeit scheint also zu einem gewissen Grad gegeben zu sein.
Die Abwasserreinigung wird in verschiedenen Forschungsprojekten mit Erfolg eingesetzt. Viele Fragen müssen zur Abwasserreinigung jedoch noch geklärt. Hier gibt es noch keine eindeutigen technischen Antworten und der Faktor der Wirtschaftlich erst beantwortet werden, wenn diese technischen Fragen geklärt sind.
Moderiert wurde der Workshop von Lukas Kahlau (Agrobusiness Niederrhein e.V.) und Johannes Pfeifer (Hochschule Rhein-Waal). Organisiert wurde er im Rahmen des EFRE Projekts Cross Innovation Lab Niederrhein mit der Intension branchenübergreifend Fachkräfte zusammenzubringen, innovative Themen zu identifizieren und mit zusammengetragener Expertise zu beleuchten.