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Foto: Yannick Smedts und Pim Deuling von AgroWizard
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Aus dem Projekt "Agropole"

AgroWizard - Produktionsoptimierung im Gartenbau dank präziser Datenerfassung

Über Precision Farming und Zauberei

Das niederländische Startup AgroWizard will Entscheidungen in Landwirtschaft und Gartenbau durch datenbasierte Anwendungen vereinfachen und optimieren.

„Wir wollen Produzenten in Gartenbau und Landwirtschaft in die Lage versetzen, mit Daten zaubern zu können.“ Das haben sich Pim Deuling und sein Startup AgroWizard auf die Fahne geschrieben. Der 34-jährige Unternehmer hat eine klare Vision. Demnach stehen der Gartenbau und die Landwirtschaft aktuell am Beginn einer Revolution. In Zukunft werden datenbasierte Entscheidungen und Automatisierungsprozesse eine zunehmende Rolle spielen. Es geht um Precision Farming – zu Deutsch: Präzisionslandwirtschaft bzw. einfacher gesagt eine Art von Landwirtschaft und Gartenbau, bei der Daten dazu beitragen, dass Saatgut, Pflanzenschutz- und Düngemittel zum richtigen Zeitpunkt in der notwendigen Menge und genau an der richten Stelle zum Einsatz kommen. Als Ergebnis davon werden Produzenten nicht nur ökonomische Ressourcen sparen, sondern durch bedarfsgerechte Maßnahmen auch ökologisch nachhaltiger wirtschaften sowie Erträge optimieren. Um den Bedarf jeweils standortgerecht zu ermitteln, ist das Sammeln und Verarbeiten von Informationen über den Standort in Zukunft unabdingbar.

„Datenbasierte Entscheidungen werden in der Zukunft immer wichtiger – Geringere Kosten, bessere Ernten, mehr Wissen und Verringerung von Betriebsrisken werden die Folge sein“, ist sich Deuling sicher. AgroWizard will Vorreiter in Landwirtschaft und Gartenbau mit den dafür notwendigen Produkten und Dienstleistungen versorgen. Deuling stellt jedoch klar: „Die größte Herausforderung, die ich in Bezug auf innovative Technologien wie künstlicher Intelligenz und Big Data sehe, sind ihre Komplexität und der Schwierigkeitsgrad der Anwendung. Wir werden schwerverständliche Technologien in einfach zu handhabende Lösungen umsetzen müssen. Ansonsten werden Landwirte und Gärtner diese Technologien nicht anwenden und in den Arbeitsalltag integrieren. Wir erzählen unseren Kunden, dass Sie kein Zauberer sein müssen, um mit unseren Technologien umgehen zu können. Es muss für jeden einfach und intuitiv zu bedienen sein.“

AgroWizard bietet eine Rundumlösung. Diese umfasst zum einen Hardware, zum Beispiel Kameramodule, die Landwirte auf ihre Traktoren montieren können. Desweiteren bietet AgroWizard Softwarelösungen: Sensoren zur Messung von Stammdicke, Baumhöhe oder Blütenanzahl. Die reine Ansammlung von Daten ist jedoch allein nicht hilfreich. Um datenbasierte Entscheidungen treffen und Maßnahmen anhand erfasster Daten begründen zu können, müssen die Daten anschaulich und verständlich dargestellt werden. Hierfür bietet AgroWizard als dritte Komponente eine Plattform, die es dem Anwender leichtmacht, Kernaussagen abzulesen, zu nutzen, relevante Trends oder Abweichungen zu erkennen und ggf. zu reagieren. Kunden sind nicht nur an die betriebseigene Hardware von AgroWizard gebunden. Auch Techniken anderer Anbieter, die zur Datenerfassung dienen, wie zum Beispiel Bodensensoren oder Wetterstationen, können mit der Software und der Plattform von AgroWizard kombiniert werden.

Die Hardware von AgroWizard (Foto: AgroWizard)
Die Hardware von AgroWizard (Foto: AgroWizard)

Wie alles begann

Pim Deuling kommt aus Südost-Brabant. Die Wirtschaft ist hier stark vom Agrobusiness geprägt – neben Landwirtschaft und Gartenbau spielen Baumschulen eine wichtige Rolle. Mit 13 Jahren durfte Deuling zum ersten Mal sein eigenes Geld verdienen. Ein Nebenjob in einer nahegelegenen Baumschule lag hier auf der Hand. Später verbrachte er viele Schulferien mit dem Pflücken von Erdbeeren, Bohnen und Kürbissen. „Ich musste jedoch lernen: Nur, weil man etwas gerne tut, heißt es nicht, dass man besonders gut darin ist“, so Deuling. „Ich habe absolut keinen grünen Daumen. Ich bin sehr stolz und glücklich, dass mein Bananenbaum schon drei Jahre in unserem Gewächshaus überlebt hat. Aber für eine Karriere als Gärtner oder Baumschuler hat es nicht gereicht“, erzählt er mit einem Lächeln.

Nach der Schule entschied sich Deuling zunächst für ein Studium in Nimwegen im Fach Betriebswissenschaften. 2014 führte ihn sein Weg zum Blue Innovation Center in Venlo. Hier traf Deuling auf viele Unternehmen und Startups, die auf der Suche nach nachhaltigen Innovationen waren, die als neuartige Produkte den Markt erobern können. Außerdem lernte er Roy Lenders kennen, Gründer von Genzai, einem Startup, das sich mit IT und künstlicher Intelligenz beschäftigt und mittlerweile Mitgesellschafter von AgroWizard ist. Han Fleuren, der zusammen mit Yannick Smedts von FleurenTech vor mehr als fünf Jahren Pionier des Stammdickenmessgeräts war, gehörte ebenfalls zu den Innovatoren, die regelmäßig das Blue Innovation Center besuchten.

Ausgangspunkt war das Problem, dass viele Obstbaumschuler zu selten die Stammdicke ihrer Bäume messen, da dies bisher mit viel Zeit- und damit auch Kostenaufwand verbunden war. Folglich fehlen ihnen Informationen darüber, ob das Wachstum der Bäume planmäßig verläuft oder nicht. Entsprechend verpassen sie die Chance, auf Unregelmäßigkeiten zu reagieren, zum Beispiel mittels gezielter Düngemaßnahmen oder Bewässerung. Die Stammdicke ist jedoch letztendlich ausschlaggebend für den Preis, den ein Baumschuler mit dem Verkauf des Baumes erzielt. Han Fleuren und Yannick Smedts hatte daher den Plan, eine technische Lösung zu entwickeln, die Baumzüchter regelmäßig über die Stammdicke ihrer Bäume informiert, ohne dass hiermit hoher Zeitaufwand und hohe Personalkosten verbunden sind.

„Yannick erzählt mir regelmäßig von ihren allerersten Versuchen, ein Stammdickenmessgerät zu entwickeln. Sie haben buchstäblich hundert Techniken ausprobiert, um dies zu erreichen. 2017/2018 kamen Han und Yannick mit Roy in Kontakt, der für den Durchbruch sorgte: ein vielversprechender Machbarkeitsnachweis basierend auf künstlicher Intelligenz und Computer Vision. Ich werde unser erstes Treffen mit Han, Yannick und Roy nie vergessen. Ich war kritisch und wollte selbst sehen, ob diese Technologie wirklich funktioniert. Meine erste Erfahrung mit unserem Stammdickemessgerät habe ich dann bei uns im Büro mithilfe einer Zimmerpflanze gemacht. Schön und pragmatisch", erinnert sich Deuling.

Heute setzt sich das Team zusammen aus Pim Deuling en Yannick Smedts (Leitung), einem F&E Manager, sieben Softwareingenieuren sowie einer Mitarbeiterin fürs Marketing, Kommunikation und Vertrieb. Das Team wird darüber hinaus seitens der Mitgesellschafter unterstützt von Roy Lenders (Firma Genzai), Han Fleuren (Firma FleurenTech) und Bart Verlegh (Bluehub Group).

Bisherige Erfolge und Wachstumspotential für die Zukunft

In bisherigen Testbetrieben und einer Vielzahl an Gesprächen mit Obst- und Alleebaumzüchtern konnte nachgewiesen werden, dass die Anwendung des Stammdickemessgeräts von AgroWizard zu deutlichen Einsparungen in den Personalkosten geführt hat, weil Messungen nicht mehr händisch durchgeführt werden müssen. Welchen Effekt der Einsatz des Stammdickemessgeräts auf den Ertrag hat, wird aktuell noch untersucht. Erste Erfahrungen der Baumschule Fleuren aus Straelen zeigen, dass ein Ertragszuwachs von 10-15 Prozent realistisch ist. Deuling kann sich zudem vorstellen, dass auch die Erfassung der Anzahl von Blüten von Interesse sein wird, um in Zukunft bessere Schätzungen machen zu können für die Ernte von Äpfeln, Birnen und Heidelbeeren. Außerdem sieht er großes Potential in der Erfassung der CO2-Speicherkapazität von Bäumen. Dazu müsse man Daten zur Baumsorte, der Größe und Stammdicke kombinieren. Das alles sei mit Produkten von AgroWizard möglich.

„Die Aufforstung und Pflanzung von Bäumen spielen eine wichtige Rolle im ‚Green Deal‘ der EU, aber auch auf Ebene der Provinzen wie Limburg sieht man diesen Trend. Ich kann mir vorstellen, dass zum Beispiel Städte in Zukunft die Bäume und Pflanzen, die sie auf öffentlichen Flächen anbauen, auch danach auswählen werden, wie viel CO2 sie aus der Luft entnehmen, speichern und in Sauerstoff umwandeln können. Wir können die Daten sammeln und verarbeiten, die für solche Entscheidungen wichtig sind“, so Deuling. Zusätzlich sieht er großes Anwendungspotential seiner Produkte in weiteren Bereichen des Gartenbaus, im Weinbau und in der Landwirtschaft.

Erste Beziehungen zum deutschen Markt

Noch in 2021 rechnet Deuling mit der Markteinführung in den Niederlanden. Als nächstes wünscht sich das Startup mehr Beziehungen zu deutschen und belgischen Unternehmen. Ein erster Schritt in diese Richtung wird im Rahmen des Agropole-Projekts unternommen. Unter anderem gemeinsam mit der Baumschule Wilhelm Ley hat AgroWizard den Zuschlag für einen Innovationsgutschein erhalten. Die Förderung wird dazu genutzt, um Versuche in deutschen Baumschulen durchzuführen und die Software an Bedingungen und Bedürfnisse deutscher Unternehmen anzupassen. Ziel ist es, auch international tätig zu werden. „Es ist keine Frage, ob wir den internationalen Markt mit unserer Idee erobern wollen, sondern wann“, davon ist Deuling überzeugt.

 

 

Dieser Bericht wurde im Rahmen des Agropole-Projekts verfasst. Das Projekt ist Teil des INTERREG-Programms Deutschland-Nederland. Es wird mitfinanziert durch die Europäische Union, die Provinz Limburg und das MWIDE NRW. Ziel des Projekts ist es, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Agrobusiness zu fördern, um die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft der Branche zu stärken.

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