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Die Organisator:innen und Referierenden der ersten Boerentour Veranstaltung (Foto: Sabine Aldenhoff)
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Unternehmen aus der Grenzregion stellen sich vor

Milchverarbeitung, lokale Vermarktung und Einsatz für Transparenz in der Landwirtschaft – Milchviehbetrieb Brosa aus Velden beweist Leidenschaft und Innovationsgeist

Die Netzwerkinitiative Agrobusiness Niederrhein e.V. aus Straelen lud Anfang November Interessierte aus der deutsch-niederländischen Grenzregion zu einem Betriebsbesuch auf dem Milchbetrieb Brosa in Velden ein. Dabei handelt es sich um einen Zusammenschluss der beiden Betriebe De Brem Holsteins (Familie van Lipzig) und Hoeve Rosa (Familie Kersten). Ein Teil der hofeigenen Milch wird hier zu Milchprodukten wie Joghurt, Buttermilch, Pudding und Eis verarbeitet. Die Betriebsleiter setzen sich zudem für mehr Transparenz und Einblicke in die Herstellung der eigenen Produkte ein.

Knapp 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren der Einladung gefolgt und versammelten sich zunächst im Vortragsraum, der sich direkt über der Milchverarbeitung befindet. Von dort aus kann man durch Fenster auch einen direkten Blick von oben in den Boxenlaufstall werfen und die Kühe beobachten. Bei Kaffee und Kuchen lauschten die Gäste zunächst der Entstehungsgeschichte des Milchviehbetriebes, welche von Mark van Lipzig vorgetragen wurde. Diese begann 1951 mit zehn Kühen, zehn Schweinen und einigen Hühnern. Über die Jahre wuchs der Betrieb und konzentrierte sich auf die Milchproduktion.

2004 stieg Sohn Mark van Lipzig in den Betrieb mit ein, während sein Bruder Martijn 2002 bereits ein Lohnunternehmen gegründet hatte und auf diesem Wege der Landwirtschaft treu blieb. 2015 wurde ein großer, moderner Boxenlaufstall mit 400 Tierplätzen auf dem Gelände in Velden gebaut. Nach dem Ende der Milchquote in 2014 führte die Politik in den Niederlanden jedoch eine Phosphatquote ein, um die Tierzahl zu begrenzen und dadurch auch das Milchangebot und die Emissionen aus der Landwirtschaft einzugrenzen. Die Folge: die geplante Anzahl von 400 Kühen war für den Betrieb nicht tragbar, sodass im Schnitt nur 350 bis 375 Plätze belegt sind.

Die Kühe sind je nach Milchleistung in verschiedene Gruppen eingeteilt. Hierdurch kann auf besondere Bedürfnisse der Tiere besser eingegangen werden, zum Beispiel in Form der Futterzu­sammensetzung. Die Kühe werden alle automatisch von sechs Robotern der Firma Lely gemolken. Im Nebengebäude sind die Kälber unterbracht. Diese werden mittlerweile jedoch nach einigen Wochen verkauft und nicht zur eigenen Jungviehaufzucht auf dem Hof gehalten.

Aus der Krise entstand Innovation

Der Großteil der Milch wird an die Molkerei Friesland Campina geliefert. Als sich die Situation auf dem Milchmarkt 2017/18 zuspitzte und die Molkerei einen Teil der Milch nicht mehr annahm, fing der Betrieb damit an, einen Teil der Milch selber zu verarbeiten. Dies wurde seitdem weiter ausgebaut, sodass die verschiedenen Milchprodukte heute über unterschiedliche Absatzkanäle vertrieben werden. Daraus entstand die Marke „Zuivel van Nu“. Die Produkte können nicht nur im Verkaufshäuschen am Hof erworben werden, sie werden auch über Partnerbetriebe (Gastronomie, Hotels) Supermärkte und Lieferdienste vertrieben.

2020 schloss sich die Familie van Lipzig „De Brem Holsteins“ mit dem Milchviehbetrieb der Familie Kersten „Hoeve Rosa“ aus Sevenum zusammen. Gemeinsam verfolgen sie seitdem unter dem neuen Namen „Brosa“ ein Ziel: einen rentablen Milchviehbetrieb mit gesunden Tieren zu führen, der Transparenz nach außen und Einklang mit der Umgebung – Mensch und Natur -  gewährleistet.

Offenheit und Transparenz

Dass Transparenz und Kontakt zu Verbraucherinnen und Verbrauchern den Betriebsleitern am Herzen liegen, zeigt sich durch die vielen Angebote, die es Interessierten erlauben, Einblicke in den Betrieb und die Produktion zu erhalten. Zusätzlich zu dem Veranstaltungsraum in direkter Angrenzung an den Kuhstall und die Milchverarbeitung wurde im Kuhstall selber eine Aussichtsplattform installiert, auf die Interessierte über einen Zugang von der Seite des Stalles gelangen. Von dort oben lassen sich die Tiere und die Melkroboter beobachten. Außerdem wurde der ehemalige Kuhstall der Familie Kersten in Sevenum zu einem Tagungsort umgestaltet, der für verschiedene Anlässe vermietet wird. Es gibt immer wieder Kontakt zu Besuchergruppen und Gelegenheit, über moderne Landwirtschaft aufklären zu können. Zudem ist der Betrieb Mitglied bei „Boederij educatie Limburg“ und eröffnet Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, in das Landleben rein zu schnuppern.

Im Anschluss an den Vortrag über die Betriebsgeschichte erhielten die Teilnehmenden der Veranstaltung noch Einblicke in Zahlen und Fakten zur Situation der Landwirtschaft auf deutscher Seite. Dazu stellte Sonja Mietz von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen einige Grafiken mit Zahlen aus NRW vor. „Wir beobachten einen klaren Trend zu immer weniger Kühen insgesamt. Auch die Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe nimmt stetig ab. Jedoch lässt sich insgesamt festhalten, dass die Anzahl der Tiere pro Betrieb steigt. Wir haben also weniger Betriebe, aber die verbleibenden Betriebe wachsen“, fasste Mietz zusammen. Diesen Trend von „wachsen oder weichen“ beobachten die Land­wirte in den Niederlanden auch. In der anschließenden Diskussion tauschten sie sich mit den deutschen Landwirten über den Einfluss der Politik aus und wollen wissen, ob das Thema Weidehaltung für deutsche Verbraucherinnen und Verbraucher weniger wichtig ist als für niederländi­sche. Außerdem ging es um das Thema Image und wie Landwirte auf beiden Seiten der Grenze mit immer höheren Ansprüchen und Vorurteilen umgehen. Nach einer lebendigen Diskussion ging es dann nach draußen. Dort führte Mark van Lipzig die Gruppe über den Hof und stand für weitere Fragen der Teilnehmenden Rede und Antwort. Dank der Übersetzungsarbeit von Anna van Heek, Mitarbeiterin von Agrobusiness Niederrhein e.V., konnten Sprachbarrieren erfolgreich überwunden werden.

Auf der anderen Seite ist das Gras viel grüner – oder?

Das Treffen bei van Lipzig war der Auftakt für eine Veranstaltungsserie mit dem Titel „Boerentour“. „Boer“ heißt übersetzt „Landwirt“, wobei „oe“ wie „u“ ausgesprochen wird. Die Serie wird im Rahmen des deutsch-niederländischen INTERREG-Projekts „Agropole“ organisiert. Ziel der Veranstaltungs­reihe ist es, Landwirtinnen und Landwirte sowie andere Interessierte an landwirtschaftlichen Themen grenzüberschreitend in den Austausch zu bringen. Viele der Herausforderungen in Landwirtschaft und Gartenbau machen bekanntlich keinen Halt an Landesgrenzen: Klimawandel, Biodiversität, Energie­preise, Tierwohl, Interesse an neuen Proteinquellen u.v.m. Der Austausch soll Inspiration für Lösungs­ansätze bieten sowie über Unterschiede hinsichtlich der Rahmenbedingungen auf deutscher und niederländischer Seite informieren und ist jeweils mit einem Betriebsbesuch auf deutscher oder niederländischer Seite der Grenze verbunden. Infos zu weiteren Veranstaltungen dieser Serie finden Sie auf der Website von Agrobusiness Niederrhein e.V.

Von links: Anna van Heek von Agrobusiness Niederrhein, Mark van Lipzig vom Milchviehbetrieb Brosa, Kathrin Poetschki von Agrobusiness Niederrhein, Sonja Mietz von der Landwirtschaftskammer NRW und Theo Lenzen, Wirtschaftsförderung Kreis Viersen und Vorstandsmitglied von Agrobusiness Niederrhein.

 

Dieser Bericht wurde im Rahmen des Agropole-Projekts verfasst. Das Projekt ist Teil des INTERREG-Programms Deutschland-Nederland. Es wird mitfinanziert durch die Europäische Union, die Provinz Limburg und das MWIDE NRW. Ziel des Projekts ist es, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Agrobusiness zu fördern, um die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft der Branche zu stärken.