Aurora Kaas stellt in Kranenburg über 90 verschiedene Bio-Käsesorten aus Kuh-, Schafs- und Ziegenmilch her, darunter auch Sorten aus 100 Prozent Milch vom Niederrhein.
Im März luden die Öko-Modellregion Niederrhein und Agrobusiness Niederrhein gemeinsam zu einer Besichtigung von Aurora ein. 20 Interessierte erhielten die Gelegenheit, hinter die Kulissen zu schauen und einen Eindruck von der Produktion und den Lagerhallen von Aurora zu bekommen. Ziel der Veranstaltung war es, Akteure mit Interesse an regionaler Wertschöpfung und Vermarktung in den Austausch zu bringen. Unter den Teilnehmenden waren Vertreterinnen und Vertreter von Supermärkten, Restaurants, Hotelgastronomie, aber auch Akteuren, die sich für Marketing oder Produktionstechnik interessierten.
Aurora wurde 1980 unter dem Namen De Dageraad von Familie ten Dam in Ven-Zelderheide gegründet, rund 10 Kilometer nordwestlich von Goch, direkt hinter der deutsch-niederländischen Grenze. Damals stellte die Familie neben Rohmilchkäse vor allem auch Frischmilchprodukte wie Vollmilch, Vla, Quark, Joghurt, Butter und Buttermilch her. Vom ersten Tag an verwendete sie ausschließlich Bio-Milch. „Das war zu Beginn gar nicht so einfach, weil Bio-Landwirtschaft zu der Zeit noch nicht den Stellenwert hatte wie heute. Familie ten Dam musste sich auf die Suche nach Pionieren begeben, die Bio-Milch herstellten, und an einer regionalen Weiterverarbeitung interessiert waren“, berichtet Janna Nielen, die im Unternehmen für Marketing und Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. Die Mühe hat sich gelohnt. Im Laufe der Zeit spezialisierte sich das Unternehmen jedoch ausschließlich auf Käse. Dieser wird überwiegend über Geschäftskunden vermarktet, zum Beispiel dem Naturkost Großhandel, dem LEH und Naturkostläden, aber auch direkt an Privatkunden.
v.l.: Janna Nielen und Manon ten Dam von Aurora Kaas mit Kirstin Surmann von der Öko-Modellregion Niederrhein sowie Kathrin Poetschki und Simone de la Motte von Agrobusiness Niederrhein; Foto: Agrobusiness Niederrhein
Das Geschäft lief gut und schon früh erfuhr die Käserei auch rege Nachfrage aus Deutschland, sodass 2011 schließlich ein zusätzliches Käselager in Kranenburg westlich von Kleve gebaut wurde. Seit 2019 befindet sich dort auch eine Produktionsanlage, in der wöchentlich 250.000 Liter Bio-Milch von insgesamt 18 Milchbetrieben aus den Niederlanden und Deutschland zu schmackhaftem Käse verarbeitet werden. 93 Prozent davon stammt von Kühen, der Rest von Ziegen und Schafen.
„Unsere Käsesorten unter dem Namen ‚Niederrheinsch Määdje‘ bestehen ausschließlich aus der Milch von sieben niederrheinischen Milchbetrieben“, berichtet Manon ten Dam. Je nach Kuhrasse und Saison kann der Geschmack der Milch und somit auch der des Käses variieren. „Wenn Sie mich fragen, dann schmeckt der Mai Gouda am allerbesten. Wenn die Kühe im Frühjahr wieder auf die Weide kommen, schmeckt man das auch im fertigen Käse. Er ist gelber und enthält mehr ungesättigte Fettsäuren“, erklärt die gelernte Lebensmitteltechnologin. Betrachtet man die verschiedenen Bio-Zertifizierungen (EU-Bio, Bioland, Demeter), die Herkunft der Milch (Kuh, Ziege, Schaf), die verschiedenen Reifegrade der Käsesorten sowie die verschiedenen Zutaten wie Kräuter und Gewürze, so kommt Aurora auf über 90 verschiedene Sorten. Ab einer Bestellmenge von 1.000 Kilogramm dürfen Kunden den Käse auch unter einer Eigenmarke (private labeling) vermarkten. Eines ist bei allen Käsesorten gleich: die Milch ist mindestens nach den Richtlinien für EU-Bio zertifiziert (Bioland und Demeter haben darüber hinaus zusätzliche Anforderungen) und es wird ausschließlich vegetarisches Lab verwendet, sodass der Käse in jedem Fall für Vegetarier geeignet ist.
Nicht nur durch den Fokus auf Regionalität und Bio bringt Aurora sein Streben nach einer nachhaltigen Käseproduktion zum Ausdruck. Auch die Nutzung von Sonnenergie durch eigene PV-Anlagen auf den Produktions- und Lagergebäuden sowie ein Wärmerückgewinnungssystem tragen zu einer ökologischeren Produktionsweise bei. Zudem wird Wasser aus der übrig bleibenden Molke separiert und zur Reinigung in der Produktion wiederverwendet. Das führt dazu, dass der Abtransport der Molke deutlich weniger Transportgewicht und Volumen umfasst, wodurch wöchentlich rund 4 LKW eingespart werden.
Die zweite Generation bestehend aus vier Geschwistern – genauer gesagt aus Manon und ihren drei Brüdern Joris, Tim und Daan – ist in das Geschäft eingestiegen und trägt mit Herzblut und Engagement zur Weiterentwicklung des Unternehmens bei. Die Aufgaben sind vielseitig, sodass jeder seine Nische im Betrieb finden konnte: Geschäftsführung, Produktentwicklung, Produktion sowie Lager und Vertrieb. Zudem beschäftigt das Unternehmen am Standort in Kranenburg 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die an fünf bis sechs Tagen pro Woche und in verschiedenen Schichten zwischen vier Uhr morgens und acht Uhr abends Käse produzieren. Von Fachpersonal aus Bereichen wie Lebensmitteltechnologie bis hin zu Hilfskräften, die noch an der Hochschule Rhein-Waal studieren, ist alles dabei.
In der Produktion werden Tradition und Handwerk mit modernster Technik vereint. Während die Käselaibe teils über Bänder laufen, automatisch gewendet werden und von einem Roboter namens Cäser in Regale gepackt werden, wird an anderer Stelle jeder Käselaib von Hand mit einem Coating und einem Schmucketikett versehen. Auf der Rückseite befindet sich das Wiegetikett, auf dem alle wichtigen Infos wie Marke, Zertifizierung, Inhaltsstoffe und Chargennummer stehen. „Da sparen sich die Studierenden auch schon mal die Muckibude, wenn sie hier ein paar Stunden Käselaibe gehoben haben“, erzählt Janna Nielen mit einem Lächeln.
Handwerk und moderne Technik vereint
links: Coating und Labeling von Hand, rechts: Roboter Cäser packt Käselaibe in Regale
Das Coating dient zur Konservierung, enthält bei Aurora aber anders als in der konventionellen Käseherstellung weder Schimmelschutz noch Farbstoffe. Auf die Frage aus dem Publikum, ob das Coating biologisch abbaubar sei, antwortet Manon ten Dam: „Bisher gibt es noch kein Coating, das biologisch abbaubar ist. Das wäre mal eine sinnvolle Innovation, die über eine Kooperation mit einer Hochschule entwickelt werden könnte“ und nickt Kathrin Poetschki und Simone de la Motte mit einem Lächeln zu, die zuvor über die Aktivitäten von Agrobusiness Niederrhein berichtet haben. Der Verein widmet sich nämlich der Vernetzung von Akteuren aus Wertschöpfungsketten in Landwirtschaft und Gartenbau und initiiert auch Kooperationen wie die zwischen Hochschulen und Unternehmen, um Innovationen in der Branche voranzubringen.
Wichtig für die Geschmacksbildung sowie die Qualität der Rinde und die Konservierung ist auch das Meersalzbad, in dem der Käse rund ein bis zwei Tag verweilt (fachsprachlich ‚gepökelt‘ wird), bevor er zum Coating ins Lager geht. Hier sind der Salz- und Säuregehalt sowie die Temperatur des Salzbads für die Lagerfähigkeit entscheidend. Im Lager bleibt der Käse dann ca. vier Wochen, wenn er als junger Käse vermarktet werden soll, ca. drei Monate, wenn es sich um mittel-alten Käse handelt, oder bis zu 12 Monate, wenn er den Namen „alt“ tragen soll. Die Geschmäcker sind regional verschieden. „In Süddeutschland brauchen wir es mit unseren jungen Käsesorten gar nicht erst versuchen. Für die ist unser junger Gouda, den die Niederrheiner so lieben, völlig geschmacklos. Stattdessen bevorzugen sie eher würzige Käsesorten, die kräftiger im Geschmack sind. Da kommt dann eher einer unserer Rotkulturkäse in Frage“, berichtet Nielen.
Käselaibe mit Coating auf dem Weg ins Lager
Im Anschluss an die Führung durch die Produktions- und Lagerhallen durften die Teilnehmenden die verschiedenen Käsesorten verkosten. „Es ist ein wahrer Genuss!“, so Markus Höhne vom AirCenter Niederrhein, einem Mitglied von Agrobusiness Niederrhein. Außerdem nutzten die Teilnehmenden die Gelegenheit zum Austausch untereinander.
Am Nachmittag verließ keiner den liebevoll eingerichteten Verkaufsraum von Aurora in Kranenburg, in dem donnerstags bis samstags auch Privatkunden den Käse kaufen können. Familie ten Dam hatte für alle Teilnehmenden Infomaterial zusammengestellt, die jeder überreicht bekam. Ein paar Käsestücke zum Probieren für Daheim durften natürlich auch nicht fehlen.
Das Interesse an dieser Veranstaltung war so groß, dass die Öko-Modellregion und Agrobusiness Niederrhein die Veranstaltung am 23.05.2023 wiederholen möchten. Interessierte können sich an Frau Surmann von der Öko-Modellregion Niederrhein (kirstin.surmann@kreis-wesel.de) oder Frau Poetschki von Agrobusiness Niederrhein (kathrin.poetschki@lwk.nrw.de) wenden.