In Venray und Beuningen in den Niederlanden gibt es drei Kipster Hühnerfarmen. Hier laufen die Hühner in einem hellen Stall mit frischer Luftzufuhr, Tageslicht, Bäumen und Baumstämmen herum. Die benötigte Energie kommt aus Sonnenkollektoren, die auf dem Dach montiert sind. Der Feinstaub wird aufgefangen, und die Hühner werden nur mit Restströmen gefüttert. Künftig können sich auch Verbraucher in den USA, England, Frankreich und Deutschland an diesem ersten kommerziellen klimaneutralen Ei der Welt erfreuen!
Wissenschaftler:innen, Politiker:innen, Journalist:innen und Landwirt:innen aus Amerika, Asien, Afrika und Australien reisen nach Venray und Beuningen, um die revolutionären Farmen zu besichtigen. Mit einem Beitrag des Brightlands Agrifood Fund will das Limburger Unternehmen der internationalen Markteroberung einen großen Schub geben: Künftig sollen Kipster-Farmen auch in den USA, England, Frankreich und Deutschland gebaut werden. Laut Marc Voss, General Manager, wurden mit Supermärkten und Produktionspartnern in diesen Ländern mündliche Vereinbarungen getroffen, die in naher Zukunft in Verträge und konkrete Maßnahmen umgesetzt werden.
Ruud Zanders ist einer der Gründer von Kipster. Er selbst ist mit Hühnern aufgewachsen. Nachdem sein großer Geflügelbetrieb im Jahr 2007 insolvent ging, begann er über eine andere und neue Art der Haltung von Nutztieren im Allgemeinen und Legehennen im Besonderen nachzudenken. Gemeinsam mit dem jungen Geflügelzüchter Styn Claessens, dem Nachhaltigkeitsexperten Maurits Groen und dem Kommunikationsspezialisten Olivier Wegloop begann er mit der Frage: "Wie ernähren wir die Welt fair und welche Rolle spielen Tiere dabei?" Hier entstand die Idee zu Kipster.
Der Hühnerstall Kipster ist tierfreundlich gestaltet: mit Auslauf, Innengarten sowie Schlaf- und Liegeflächen. Darüber hinaus ist der Stall auch nachhaltig konzipiert. Feinstaub wird mit Filtern und Ionisationspistolen aus der Luft aufgefangen. Die Sonnenkollektoren auf dem Dach liefern mehr Energie als im Hühnerstall verbraucht wird. Die wichtigste Neuerung ist jedoch, dass Kipster-Hühner Restströme aus der Lebensmittelindustrie fressen und so „Abfälle“ zu Eiern und Fleisch aufwerten. Dadurch sind die Hühner nicht nur tierische Eiweißlieferanten, sondern auch Verarbeiter von organischen Abfällen. Damit ist das Unternehmen der einzige kommerzielle Geflügelzüchter weltweit, der den Kreislauf auf diese Weise schließt.
2017 öffnete die erste Kipster Farm in Venray ihre Pforten. Inzwischen sind es drei in den Niederlanden, ein vierter ist in Vorbereitung. Zanders: „Wir haben mit einer schönen Idee angefangen und wollten zeigen, dass die kommerzielle zirkuläre Haltung von Hühnern möglich ist. Die Aufmerksamkeit, die wir bekamen, war wirklich überwältigend! Bevor wir uns versahen, hatten wir einen Fünfjahresvertrag mit der Supermarktkette Lidl. Die lustige Idee war plötzlich ein professionelles Unternehmen. Die Nachfrage war national und international riesig, es lag an uns, es gut zu organisieren und zu finanzieren.“
Marc Voss ist seit dem 1. Januar 2021 ein Mitglied der Kipster-Familie. Mit seiner langjährigen internationalen Erfahrung ist es an ihm, das Unternehmen weiter auszubauen. „Wir arbeiten mit einem Franchise-Modell: Wir suchen Partner in anderen Ländern, die an unser Konzept glauben, bei dem Tierwohl und Nachhaltigkeit im Mittelpunkt stehen. Die Partner sind für die Beschaffung des Grundstücks, die Genehmigungen und die Bewirtschaftungdes Hofes verantwortlich. Wir liefern das Konzept (die Kipster-Farm), einen Kaufvertrag mit einem Supermarkt für fünf Jahre und einen garantierten Einkauf zu einem fairen Preis. Wir versuchen, unsere Partner so weit wie möglich zu entlasten”, beschreibt Voss das Vorgehen und Konzept.
Die Nachfrage nach Kipster-Eiern ist groß. So befindet sich das Unternehmen in den USA beispielsweise in Gesprächen mit dem Supermarktkonzern Kroger, dem nach Walmart größten Einzelhändler des Landes. „Es ist besonders zu sehen, wie wir als kleines Unternehmen aus Limburg mit einem Unternehmen mit einem Umsatz von 240 Milliarden Dollar pro Jahr am Tisch sitzen. Sie sehen aber auch, dass sich die Welt verändert und Nachhaltigkeit ein wichtiges Thema ist. Unser Konzept spricht diesen Retailer an.“
Das kommende Jahr ist entscheidend für die moderne Geflügelfarm. „Mit jeweils einer Farm in England, Frankreich und Deutschland bedienen wir nur einen kleinen Teil der Märkte in diesen Ländern. Man benötigt zehn Kipster in jedem dieser Länder, um den gleichen Marktanteil wie in den Niederlanden zu erreichen. Und wenn sich Kipster durchsetzt, dann müssen wir bereit sein für die große Nachfrage“, so Voss.
Mit dem Beitrag des Brightlands Agrifood Fund will das Unternehmen außerdem ein Forschungs- und Innovationszentrum auf dem Brightlands Campus Greenport Venlo realisieren. Zanders: „Hier soll eine kleine Kipster-Farm entstehen, in der wir Dinge ausprobieren können. Wir wollen als Unternehmen die Nase vorn haben. Innovation ist unabdingbar. In diesem neuen Zentrum werden wir mit Restströmen, Feinstaub, Wasser, Tierschutz usw. experimentieren. Dieses Zentrum könnte auch für andere Geflügelhalter interessant sein.“
Doch die Innovation geht laut Zanders noch weiter. „Man kann auch andere Tiere einsetzen, um Restströme zu verwerten und der Wertschöpfungskette anderer Produkte hinzuzufügen. Wie wäre es zum Beispiel mit einem Kipster für Schweine? Ich denke, das sollte möglich sein. Wir haben auch einen langen Weg zurückgelegt, ein pflanzliches Ei zu entwickeln, für das wir kein Huhn brauchen. Das mag verrückt sein für ein Unternehmen, das von Hühnern und Eiern lebt. Aber die Weltbevölkerung wächst weiter und um in Zukunft alle mit ausreichend Protein zu versorgen, müssen wir auch nach Alternativen suchen.“
Weitere Informationen: www.kipster.nl
Dieser Bericht wurde im Rahmen des Agropole-Projekts verfasst. Das Projekt ist Teil des INTERREG-Programms Deutschland-Nederland. Es wird mitfinanziert durch die Europäische Union, die Provinz Limburg und das MWIDE NRW. Ziel des Projekts ist es, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Agrobusiness zu fördern, um die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft der Branche zu stärken.