Im Oktober lud Agrobusiness Niederrhein gemeinsam mit Pix Software, einem seiner rund 100 Mitglieder, zu einer Online-Veranstaltung ein mit dem Titel „Folgen und Risiken eines Blackouts im Agrobusiness – Wie können und müssen sich Unternehmen vorbereiten?“. Als Referenten nahmen neben David Bergens von der Firma Pix Software auch Matthias Engel, u.a. Feuerwehr- und Ordnungsdezernent sowie Leiter des Krisenstabes der Stadt Mönchengladbach, und Tobias Poppe, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Hochschule Rhein-Waal, teil. Ziel der Veranstaltung war es, Unternehmen und andere Akteure aus dem Agrobusiness am Niederrhein für die Risiken eines länger anhaltenden und ggf. auch großflächigen Stromausfalls zu sensibilisieren und Möglichkeiten aufzuzeigen, wie man sich für solche Situationen wappnet.
Bergens erklärte zunächst, wieso das Risiko für einen Blackout in den letzten Wochen und Monaten gestiegen ist. Für ein stabiles Stromnetz müssen Stromangebot und –nachfrage im Gleichgewicht bleiben. Eine Gasmangellage könne dazu führen, dass die Nachfrage nach Strom zur Erzeugung von Wärme rapide steigt, denn der Großteil der Bevölkerung heizt mit Gas. Zudem sei nicht auszuschließen, dass das Stromangebot bzw. die Strominfrastruktur unvorhergesehen durch Extremwetterereignisse oder auch Angriffe von außen einbrechen. Das Risiko für einen Blackout sei somit besonders in den kommenden Wintermonaten höher als gewöhnlich. Seine Schilderung der Folgen eines länger anhaltenden und großflächigen Stromausfalls verdeutlichten dann, wie abhängig die Zivilbevölkerung und Wirtschaft von Strom ist. „Strom ist die am schnellsten verderbliche Handelsware“, so Bergens. Ohne Strom gibt es nicht nur kein Licht. Mobilfunknetze, Züge, U-Bahnen und Straßenbahnen sowie Tankstellen fallen aus. Auch die Wasserversorgung bricht ein. Durch fehlende Ampelanlagen steigt die Gefahr für Verkehrsunfälle rasant. Dauert der Stromausfall länger als einen Tag, funktionieren Abwassersysteme nicht mehr. Durch den Ausfall von Tankstellen kommt auch der restliche Verkehr zum Erliegen und die ersten Bürgerinnen und Bürger stellen fest, dass die reguläre Abfallentsorgung nicht erfolgt. Bergens hat Sorge, dass sich viele in falscher Sicherheit wägen: „Selbst Notstromaggregate sind meist nicht dafür ausgelegt, mehrere Stunden bis Tage zu laufen. Die meisten Geräte benötigen nach wenigen Stunden eine Wartung, die zuvor ein Abkühlen des Aggregats erfordert.“ Aus seiner Sicht fühlen sich viele zu gut vorbereitet, weil Sie glauben, durch PV- oder Biogas-Anlagen sowie den Besitz von Notstromaggregaten im Falle eines Blackouts ausreichend Strom produzieren zu können. Bergens erklärte, dass auch PV- und Biogas-Anlagen Strom benötigen, um selber Energie erzeugen zu können. Wer sein Notstromaggregat nicht regelmäßig teste, laufe Gefahr, dass das Gerät im Notfall nicht funktioniert, nicht für den Bedarf ausreicht oder nach wenigen Stunden zum Erliegen kommt wegen fehlender Wartung, mangelnder Dieselvorräte oder Überlastung. Oft seien Geräte nur für eine Betriebszeit von drei Stunden ausgelegt.
Matthias Engel von der Stadt Mönchengladbach riet zur Vorsorge: „Sorgen Sie dafür, dass Sie einige Tage ohne Einkaufen zurechtkommen – Wasser, Lebensmittel, Hygieneartikel, wichtige Medikamente. Auch Unternehmen sollten mit ihren Mitarbeitern über das Thema sprechen, aufklären und gemeinsam Pläne aufstellen, wie auch ohne Strom wichtige Aufgaben im Unternehmen erledigt werden können.“ Das ist insbesondere fürs Agrobusiness wichtig, weil es hier auch um Lebewesen und schnell verderbliche Güter geht, die einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit der Bevölkerung leisten. Darüber hinaus berichtete Engel von sogenannten „Leuchttürmen“, die Städte und Kommunen aktuell für solche Notfälle einrichten. In Mönchengladbach wird es in einer entsprechenden Strommangellage davon 26 Stück geben. Wenn alle anderen strombasierenden Kommunikationsmöglichkeiten in der Stadt zusammengebrochen sind, werden hier Einwohnende zum Beispiel Notrufe absetzen können. Außerdem soll es bei späteren Ausbaustufen die Möglichkeit geben, Akkus aufzuladen oder Babynahrung zuzubereiten. „Es muss jedem klar sein, dass es die schlechteste Strategie ist, sich darauf zu verlassen, dass in einer solchen Situation von außen Hilfe kommt. Unsere Aufgabe ist es, zunächst dort zu helfen, wo Leben konkret bedroht ist, zum Beispiel bei medizinischen Notfällen, bei Bränden und in besonderen Einrichtungen, die zur Lebenserhaltung von Leben zwingend erforderlich sind“, so der Dezernent und Beigeordnete der Stadt Mönchengladbach.
Auch Tobias Poppe, der neben seiner Arbeit an der Hochschule Rhein-Waal auch in seiner Funktion als Führungskraft bei der freiwilligen Feuerwehr Bezug zum Thema Blackout und Krisenvorsorge hat, stieg in seinen Vortrag mit dem Appell ein, dass die eigene Vorsorge – von Privathaushalten und Unternehmen – die wichtigste Maßnahme sei, um den Ausbruch von Panik und Chaos bei einem länger andauernden Stromausfall so weit wie möglich hinauszuzögern. Er zeigte pragmatische Schritte, die Unternehmen helfen können, sich besser vorzubereiten. Dazu gehört zunächst die Analyse, wann, wofür und wieviel Strom überhaupt benötigt wird. „Die nötige Sensorik ist gar nicht so teuer und kann sogar helfen, langfristig Kosten zu sparen, indem unnötige Stromfresser identifiziert werden. Außerdem kann die Analyse genutzt werden, um sich bewusst zu machen, was im Falle eines Stromausfalls an kritischer Infrastruktur notwendig ist und durch Notstromaggregate versorgt werden muss. So kann man Geräte entsprechend der notwendigen Leistung anschaffen und läuft nicht Gefahr, dass man erst beim Eintreten der Krise feststellt, dass das verfügbare Gerät nicht ausreicht oder gar versagt“, erklärte Poppe. Aus Erfahrung weiß er, dass viele ignorieren, dass ein über die Zapfwelle eines Treckers betriebenes Aggregat nicht geeignet ist, um Geräte mit Elektronik zu betreiben. Grund dafür sei die zu unstabile Drehzahl, die eine Schwankung der Frequenz zur Folge hat, wodurch sensible Elektronik zerstört wird. „Damit lassen sich Pumpen betreiben, aber für die Versorgung von Melkanlagen oder Fütterungstechnik sind solche Notstromaggregate nicht geeignet“, ergänzte er. Außerdem geht er auf den Unterschied von L-Gas (low calorific) und H-Gas (high calorific) ein. Weitere Bereiche in NRW und Niedersachsen sind noch nicht von L Auf H-Gas umgestellt. Die Gasspeicher in Deutschland speichern zu 90 % H-Gas und nur zu 10 % L-Gas, daher besteht für L-Gas tendenziell ein höheres Risiko für eine Mangellage.
In der anschließenden Diskussion, in der auch Fragen der Teilnehmenden beantwortet wurden, gingen die Referenten noch darauf ein, dass Lieferketten schlimmstenfalls nicht nur für den Zeitrahmen des Stromausfalls zum Erliegen kommen, sondern auch Wochen bis Monate danach noch Lieferengpässe zu einer Unterversorgung führen könnten. „Wer dringend abhängig ist von bestimmten Produkten oder Medikamenten sollte genau prüfen, ob und wie eine Bevorratung für mehrere Wochen möglich ist“, so Poppe. „Angesichts der Inflation sind Vorräte aktuell auch finanziell nicht die schlechteste Strategie“, gibt Bergens noch zu bedenken. Außerdem wurde darüber diskutiert, ob oder wie Unternehmensaktivitäten aufrechterhalten werden können, indem beispielsweise autarke Notstromarbeitsplätze für einen Teil der Belegschaft eingerichtet, die Kinderversorgung organisiert oder Notfallvorräte für die Mitarbeitenden angelegt und gewährleistet werden.
Tipps zur Vorsorge und Fragen, die sich Unternehmen zur Vorbereitung auf einen Blackout stellen sollten:
Ø Wie sieht mein Strombedarf aus? Wofür? Wann? Wieviel?
Ø Auf welche Leistungsabnehmer kann ich im Falle eines Blackouts verzichten und welche sind dringend mit Notstrom zu versorgen?
Ø Gibt es unkontrollierte Leistungsabnehmer, zum Beispiel weniger relevante Durchlauferhitzer, die regelmäßig anspringen und eine Notstromversorgung unnötig belasten?
Ø Passt meine Notstromversorgung zur benötigten Leistung und zur Art der Leistungsabnehmer (Elektronik verträgt sich nicht mit zapfwellenbetriebenen Aggregaten)?
Ø Wie lange kann ich mit meinen Notstromaggregaten eine Versorgung sicherstellen? Müssen die Aggregate gewartet werden? Habe ich ggf. ausreichend Diesel (oder Öl zur Wartung) vorrätig, um sie mehrere Tage oder sogar Wochen zu betreiben?
Ø Funktioniert meine geplante Notstromversorgung tatsächlich? Regelmäßige Tests durchführen!
Ø Auf welche Produkte und Dienstleistungen von außen bin ich dringend angewiesen (Bsp. Diesel, Tierfutter, Milchtankwagen etc.)? Ggf. Gespräche mit Zulieferern führen oder Vorräte anlegen!
Ø Wer im Betrieb kennt sich mit dem Notfallplan und der Notstromversorgung aus? Ist diese Person auch ohne Kommunikations- und Transportmittel ansprechbar bzw. vor Ort?
Ø Habe ich die Möglichkeit, Stromerzeuger wie PV-Anlagen oder Biogas-Anlagen, die bei einem Stromausfall zunächst auch die Energieerzeugung einstellen, mithilfe einer Starthilfe wieder in Gang zu bringen, sodass diese wieder Energie erzeugen?
Ø Kann ich ggf. gemeinsam mit Nachbarn eine autarke Notfallversorgung für die kritische Infrastruktur aufbauen? Ggf. Gespräche führen und gemeinsame Pläne erstellen.
Ø Fahrzeuge (egal ob privat oder Dienstfahrzeuge) regelmäßig betanken, um bei Eintritt eines Stromausfalls möglichst lange noch mobil zu sein!
Ø Habe ich auf wichtige Daten auch bei einem Stromausfall Zugriff (Stichwort Cloud vs. lokale Lösungen zur Datenspeicherung)?
Ø Wichtige Nummern, Ansprechpartner oder Informationen auf Papier festhalten!
Ø Akkus immer aufladen, um bei Eintritt eines Stromausfalls möglichst lange Energie vorrätig zu habewn!
Ø Notfallreserven anlegen nach Empfehlungen des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK)!
Ø Kurbelradio kaufen und im Fall eines Stromausfalls auf lokale Radiosender einstellen
Die Referenten:
David Bergens, Pix Software
Matthias Engel, Stadt Mönchengladbach
Tobias Poppe, Hochschule Rhein-Waal