Fast unbemerkt sind viele Landwirte zu Vorreitern der Digitalisierung geworden. Der Melkroboter ist für Kühe heute so selbstverständlich wie für uns das Autofahren. Selbständig suchen sie sich ihren Platz und genießen die Möglichkeit Milch zu geben, während Ihnen das Futter präsentiert wird. Die Technologie hat somit in der Milchviehhaltung bereits Einzug gehalten. Dass die Digitalisierung damit aber noch nicht abgeschlossen ist, das zeigte sich auf einer Veranstaltung, zu der Agrobusiness Niederrhein im Rahmen des Regional Skills Labs Workshops „Tiergesundheit im Fokus – modernes Monitoring“ nach Straelen ins Versuchszentrum Gartenbau eingeladen hatte. Welche technologischen Innovationen kommen in der Nutztierhaltung auf uns zu? Wo liegen Chancen? Und wo Grenzen der Digitalisierung im Stall? Auf all diese Fragen bekamen die Teilnehmer eine Antwort.
Datenerfassung und Nutzung im Milchviehbetrieb „vernetzt oder verheddert“ dieser Frage müssen wir uns kritisch stellen, erläutert Andreas Pelzer von der Landwirtschaftskammer NRW in seinem Vortrag. „Wir stehen vor der digitalen Revolution in der modernen Tierhaltung. 80% der Neuinvestitionen in Melktechnik fließen in automatische Melksysteme. Bei der Digitalisierung und Automatisierung geht es in erster Linie aber nicht um Daten, sondern um Informations-, Entscheidungs- sowie Arbeitshilfen“, sagt Pelzer. Immer mehr Betriebe setzen auf unterschiedlichste Systeme von verschiedenen Firmen. Jedoch sind die firmenspezifischen Anwendungen Insellösungen und kommunizieren nicht untereinander. „In dieser Hinsicht muss dringend etwas passieren“, verdeutlicht Pelzer in seinem Vortrag.
In den folgenden Beiträgen wurden Beispiele für innovative Techniken vorgestellt.
Harald Müller von der Firma smaXtec stellt in seinem Vortrag die smaXtec Technologie vor. Bei dieser Technologie werden Sensoren in Bolusform einmalig in die Kuh eingesetzt und arbeiten im Anschluss völlig selbständig und benötigen keinerlei Wartung. Die Datenübertragung erfolgt automatisch sobald sich die Tiere in der Nähe der Auslesestation befinden. Der Bolus misst kontinuierlich die Temperatur und die Bewegungsaktivität der einzelnen Kuh. „Mittels dieser Informationen lassen sich Abkalbetermine, Brünste und die allgemeine Tiergesundheit in Echtzeit überwachen und durch einen Brunstalarm wird der Landwirt über sein Smartphone direkt informiert. Durch die kontinuierliche Temperatur- und Aktivitätsmessung entfällt der Aufwand von Routinearbeiten, die nun für die Tierbetreuung genutzt werden können“, erklärt Harald Müller.
Die Digitalisierung ist schwer im Bild festzuhalten. Jedoch arbeitet die Innovation „cow body scan“ von der Firma dsp agrosoft mit einer 3D-Bildanalyse-Kamera, wo Körperkondition und Laufverhalten der Kühe digital erfasst und für Managementzwecke und Entscheidungen genutzt wird. „Während es bisher nur möglich war, abweichende Körperkonditionen in den Milchvieherden durch ein geschultes Auge oder über die manuelle Rückenfettdicke Messung per Ultraschall zu erkennen, unterstützt hierbei zukünftig diese Technik. Dies erfolgt berührungslos, automatisiert und objektiv nach jedem Melkgang für die gesamte Herde. Dabei wird die zu bewertende Kuh über eine elektronische Tierkennzeichnung identifiziert. So können negative Entwicklungen bereits in ihrer Entstehung erkannt werden, so das reagiert werden kann bevor es zu einer Erkrankung des Tieres kommt.
Die vorgestellten Innovationen der Firmen zeigen, dass das einzelne Tier durch die Digitalisierung wieder mehr in den Vordergrund rückt. Dies hat nicht nur Vorteile für das Tier und den Landwirt, sondern auch für die Gesellschaft. Die Gesellschaft diskutiert aktuelle stark die Themen Ressourcenschutz und Tierwohl. Beides ließe sich durch die Betrachtung des Einzeltieres verbessern. Der Landwirt erhält beispielsweise frühzeitig ein Signal auf seinem Smartphone und weiß welches Tier innerhalb einer Gruppe auffällig ist. Er könnte es isolieren und im Krankheitsfall verhindern, dass sich alle anderen Tiere der Gruppe anstecken. Dementsprechend werden weniger Tiere krank, die Menge an benötigten Medikamenten verringert sich und die Betriebsleistung bricht nicht so stark ein.