Bei der Veranstaltung mit dem Fokus auf intelligente Brillen (auch Smart Glasses) erfuhren wir einiges über ihren möglichen Einsatz in Landwirtschaft und Gartenbau, aber auch über von Wissenschaftlern trainierte künstliche Intelligenz (KI). Diese ermöglicht in Kombination mit den smart Glasses eine Auswertung des Schädlingsbefalls von Gewächshauskulturen.
Hierzu hatte Agrobusiness Niederrhein eingeladen. Eingeladen waren mitunter Herr Gallik, Leiter des Landwirtschaftskammerstandorts Straelen und Herr Tiede-Arlt, Versuchsleiter aus dem Bereich Zierpflanzenbau. Gemeinsam machten Sie den Auftakt und referierten zum Thema „automatische Auswertung von Gelbtafeln“ mit eigenen Erfahrungen aus früheren Forschungsprojekten.
Schädlinge werden von der gelben Farbe angezogen. Daher hängt man Gelbtafeln in Gewächshäusern auf. Landen sie auf den Tafeln, bleiben sie an der klebrigen Oberfläche hängen. Daran kann der Gärtner erkennen, wie hoch der Befallsdruck ist und bei Bedarf mit Maßnahmen gegensteuern. Aktuell müssen die Tafeln, an denen manchmal hunderte von Insekten kleben, über die genaue Betrachtung und Auszählung auswerten. Das kostet Zeit und ist auch nur mit dem geschulten Auge möglich.
Bilder von Gelbtafeln nur über den Blick durch eine Brille aufnehmen und diese automatisch auswerten zu lassen, das klingt zunächst sehr futuristisch. Doch genau mit diesem Thema beschäftigt sich ein junges Team des GEMIT Instituts der Hochschule Niederrhein unter der Leitung von Prof. Holger Beckmann seit fast zwei Jahren im Projekt CONUS. Die Forschenden Maximilian Hummel, Abdullah Shams, Suchi Julidyani, Kunhao Wang und Raghad Zaghal arbeiten an Themen wie KI - und möglichen Anwendungen von „Wearables“ in der Landwirtschaft. „Wearables“ sind tragbare Computersysteme wie Handschuhe, in denen ein Scanner integriert ist oder Brillen, über die Informationen aufgenommen oder dem Anwender angezeigt werden können. Genau dort setzt die Forschung an: „Mit den Google Glasses machen wir Bilder von Gelbtafeln in Gewächshäusern und lassen diese dann von einer künstlichen Intelligenz auswerten“, erklärt Abdullah Shams. Derzeit haben sich die Forschenden auf die Erkennung und Zählung der Weißen Fliege spezialisiert, doch auch andere Insekten sollen in Zukunft identifiziert werden können. Bis dahin liegt noch ein gutes Stück Weg vor dem Team, denn die zu sammelnden Datenmengen sind enorm und selbst von der weißen Fliege gibt es verschiedene Arten. Diese zu unterscheiden ist wichtig, denn von der Art der Fliege hängt auch die Maßnahme ab, die vom Fachpersonal zur Bekämpfung genutzt werden soll.
„Das Wichtigste ist eine Menge an Daten, die groß genug ist, um die KI zu trainieren!“ betont das Team. Eine gute Datenmenge bedeutet bis zu 400.000 Trainingsbilder anhand derer das Programm lernt, wie ein Schädling auf der Tafel aussieht und diese auch von anderen Insekten unterscheiden kann„ Danach ist die KI ein „künstlicher Experte“, sagt Shams.
Julidiyani forscht mit der Unterstützung der Studentin Zaghal wiederum an augmented Reality (Erweiterung der Realitätswahrnehmung). Dazu nutzen sie die „HoloLens“ von Microsoft. Sie ist im Grunde ein freihändig steuerbarer Computer in Form einer Brille. (YouTube-Demonstrationsvideo). Durch sie kann mit hochauflösenden Hologrammen interagiert werden. Diese Hologramme sind freihändig steuerbar und verbleiben an den vom Benutzer definierten Positionen. Zum Beispiel kann ein Hologramm eines Tablets betrachtet werden und darauf sogar agiert werden, indem z.B. Apps und Tabs geöffnet und geschlossen werden. Durch die Integration von Daten und visuellem Input in die Umwelt entstehend durch die HoloLens von Microsoft so neue Welten. Vorstellbar ist unter anderem eine Kurve, die das Wachstum einer Pflanzenkultur oder den Düngerbedarf eines Feldes darstellen kann. Das Kommunizieren über weite Distanzen, sowie das Darstellen von Daten in Form eines Hologramms in der gewohnten Umgebung lässt sich damit bewerkstelligen. Die Idee für den Einsatz in der Landwirtschaft und im Gartenbau ist es, innerbetriebliche Daten während eines Rundgangs durch den Betrieb zu visualisieren. So sollen Gärtner:innen und Landwirt:innen dabei unterstützt werden die komplexen Vorgänge in Ihren Betrieben noch besser erfassen zu können. Wie bald sich diese Technologie in der Wirtschaft etablieren kann, ist hier noch ungewiss, doch faszinierend und zukunftsträchtig wird sie dennoch vom Team eingeschätzt.
Anders sieht es bei der automatischen Erkennung von Schädlingen aus. „Mit genügend Daten aus der Praxis hoffen wir in geraumer Zeit ein einsetzbares Tool anbieten zu können“, sagt Hummel.
Zuletzt rief das Forscherteam die anwesenden Gärtner:innen und Pflanzenbauberater:innen nochmal dazu auf mit dem Institut zusammenzuarbeiten und zur Zusammentragung der Bilddaten beizutragen. Auch Sie lieber Leser, liebe Leserin können sich melden und mitmachen.