Thomas Viehweg führt die gleichnamige Gärtnerei in Issum in vierter Generation. Auf mehr als 14 Hektar Fläche wachsen jährlich ca. 4 Millionen Pflanzen aus insgesamt 150 verschiedenen Arten. Den Großteil machen Sukkulenten aus, aber auch eine eigene Christrosenzüchtung ist Teil des Sortiments. „In den letzten Jahren haben wir uns immer mehr im Bereich der Sedumarten, Moose und Flechten spezialisiert“, berichtet Viehweg und erklärt, dass diese Pflanzen auch ideal geeignet sind, um eher trockene Flächen mit weniger nährstoffreichem Boden zu begrünen. „Diese Pflanzen sind wenig anspruchsvoll und eignen sich auch, die zeitweise sehr in den Trend geratenen Steingärten wieder zu begrünen. Die Eigentümer haben irgendwann erkannt, dass auch ein Steingarten oder Kiesbeet nicht ohne Pflege auskommt und dem Klima- und Umweltschutz wenig dient. Mithilfe dieser Pflanzen können wir wieder Farbe und Leben in die Beete bringen“. Ein weiteres Anwendungsgebiet ergibt sich in der Dachbegrünung. Auch hier müssen Pflanzen mit einfachen Bedingungen zurechtkommen. Gärtnerei Viehweg hat verschiedene Platten und Pfannen entwickelt, die mit verschiedenen Pflanzen bestückt werden und so fertig auf Dachflächen verlegt werden können – egal ob Flachdach oder mit einer Dachneigung. Zwar sei diese grüne Dachbedeckung aktuell noch teurer als klassische Lösungen, „man darf aber nicht die weiteren Vorteile dieser Dachbegrünung außer Acht lassen, die den Mehrkosten auch klare Mehrwerte gegenüberstellen“, betont der Unternehmer. Zu nennen sind etwa die Speicherkapazität von Wasser, der positive Effekt auf die Luft (Kohlenstoffbindung und Sauerstoffproduktion), isolierende Wirkung (im Winter weniger Kälteverlust, im Sommer weniger Erhitzung) sowie die positive Wirkung eines grüneren Wohnumfeldes für das Wohlempfinden der Menschen.
Aufbau der Plantile Module, die zur Dachbegrünung eingesetzt werden (Foto: Viehweg)
Um die Arbeitsbelastung möglichst gering zu halten sind viele Produktionsschritte voll automatisiert. Vom Einpflanzen der Stecklinge und Jungpflanzen bis hin zum Verladen der fertigen Paletten geschieht alles per Maschine. „Da packt keiner zwischendurch noch die Töpfe an“, erklärt Viehweg. Dennoch finden 55 Festangestellte Arbeit in der Gärtnerei Viehweg.
Zu den Aufgaben der Mitarbeitenden gehört unter anderem die Versorgung der Pflanzen mit Nährstoffen. Schon lange wird hier nicht mehr die Volldüngung angewendet, bei der vorgefertigte Nährstoffgemische dem Gießwasser zugeführt werden. „Dieser Volldünger stellt sicher, dass alle nötigen Nährstoffen für das Pflanzenwachstum in ausreichender Menge vorhanden sind. Er geht aber nicht auf die Frage ein, welche der Nährstoffe im Boden bereits ausreichend vorhanden und für die Pflanzen verfügbar sind. Meine Mitarbeiter sind also dafür zuständig, den tatsächlichen Bedarf zu analysieren und bedarfsgerechte Düngemischungen zu erstellen. Das erfordert etwas Knowhow und Zeiteinsatz, spart aber unterm Strich Ressourcen und schont die Umwelt“, erklärt Viehweg.
Anders als in manch anderen Gärtnereien am Niederrhein wird hier ganzjährig produziert. Das hat Vor- und Nachteile, berichtete der Betriebsinhaber: „Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ermöglicht das flexiblere Urlaubszeiten, weil nicht alle zur selben Zeit frei nehmen müssen. Je älter ich werde, umso eher denke ich manchmal, so eine Ruhepause im Jahr, wo hier gar nichts läuft, hätte auch was. Manchmal fällt es schwer, abzuschalten, wenn man weiß, dass andere währenddessen weiterarbeiten.“
Rund drei Viertel der Produktion ist für den Großhandel am Niederrhein bestimmt, 15-20 Prozent werden in den Niederlanden vermarktet und 10 Prozent der Ware wird in andere Länder exportiert. Für die Vermarktung der Dachbegrünung arbeitet das Unternehmen gerade an eigenen, neuen Vertriebswegen. Hier ist besonders die Direktansprache und Neukundengewinnung unter Immobiliengesellschaften oder Dachdeckern interessant.
Sorge bereitete dem 52-jährigen die Energiekrise, die alle Gartenbaubetriebe stark treffen wird, die Gewächshäuser insbesondere im Winter und Frühjahr beheizen. Viehweg selber hat vor einigen Jahren bereits in ein Hocheffizienz-BHKW und in ein Biomasseheizkraftwerk, das mit Holzschnitzeln betrieben wird, sowie in PV-Anlagen investiert, sodass er weniger abhängig von Gas ist als einige andere Betriebe in der Region. Die Holzschnitzel bezieht er aus der Region. Sie stammen von schnellwachsenden Hölzern wie Weiden. Dennoch macht ihn die aktuelle Situation betroffen. Möglich, dass zukünftig – wie es früher einmal Standard war – erst im späteren Frühjahr mit der Produktion begonnen wird, um weniger Energie in den kalten Monaten zu verbrauchen. Ob Verbraucherinnen und Verbraucher hierfür Verständnis zeigen oder ihre Konsumwünsche durch importierte Ware decken, wird sich zeigen.
Die Auszubildenden Konstantin Stöcker (Fa. Viehweg) und Sebastian Röhrtmanns (Fa. Sealnet) beim Verlegen der Plantile (Foto: Viehweg)
Zurzeit machen drei junge Menschen ihre Berufsausbildung in der Gärtnerei Viehweg. Auch die Betriebsnachfolge scheint gesichert. Beide Söhne der Familie sind in die Branche eingestiegen und interessieren sich dafür, den Betrieb weiterzuführen. Ihre Studiengänge in Agrarökonomie, Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Logistik decken die Vielseitigen Bereiche des Gartenbaus und seiner Wertschöpfungskette ab – eine gute Voraussetzung, um den Herausforderungen des Betriebs frühzeitig mit ökologisch nachhaltigen und gleichzeitig rentablen Lösungen zu begegnen. Einen Vorteil sieht Viehweg auch in der starken Führungscrew, bestehend aus 8 Gartenbaumeistern, die die rund 55 Mitarbeitenden und drei Azubis betreuen. Dennoch sorgt sich der Geschäftsleiter um Nachwuchskräfte. „Die Ansprüche junger Menschen an den Arbeitsplatz, die Arbeitsbedingungen und den Arbeitgeber haben sich geändert.“ Umso glücklicher ist Thomas Viehweg über Erfahrungen, wie er sie zuletzt mit einem der Auszubildenden gemacht hat: „Er hatte eigentlich schon einen Ausbildungsplatz im Bereich Finanzen und Steuern sicher und fragte nach einer Möglichkeit, bei uns in den Ferien zu jobben. Die Arbeit und das Team haben ihm so gut gefallen, dass er sich tatsächlich kurzerhand entschieden hat, doch eine Ausbildung als Gärtner bei uns zu beginnen.“ Solche Erlebnisse zeigen einmal mehr, wie wichtig es ist, jungen Menschen Einblicke in die Berufspraxis in der Grünen Branche zu geben, um Interesse an diesen Berufen zu wecken und Karriereperspektiven aufzuzeigen.
Simone de la Motte (2.v.l.) und Kathrin Poetschki (r.) (beide Agrobusiness Niederrhein) im Gespräch mit Thomas Viehweg (Gärterei Viehweg) und Eric Brouwers (Paletti Growers) (Foto: Agrobusiness Niederrhein)
Gärtnerei Viehweg steht nicht allein vor Herausforderungen wie dem Fachkräftemangel, Klimawandel und der Energiekrise. Viele andere Betriebe aus dem Gartenbau erfahren zurzeit dieselben Probleme. In der Kooperation „Paletti Growers“ schließen sich deutsche und niederländische Gartenbaubetriebe zusammen, um sich gemeinsam über diese Herausforderungen und mögliche Lösungsansätze auszutauschen. Seit 10 Jahren ist Viehweg Mitglied in dem Verein. Eric Brouwers, Vorstandsmitglied bei Paletti Growers, engagiert sich immer wieder für neue Kooperationsmöglichkeiten mit anderen Akteuren aus der Branche. So wurden kürzlich beispielsweise Workshops organisiert, an denen Studierende und Unternehmer beteiligt waren, um voneinander zu lernen und zu profitieren. Ein regelmäßiger Austausch findet auch mit dem deutsch-niederländischen Netzwerk statt, das im Rahmen des Agropole-Projekts von Agrobusiness Niederrhein, Brightlands Campus Greenport Venlo und der Gemeinde Venray aufgebaut wurde. Die Zusammenarbeit trägt laut Viehweg und Brouwers wesentlich dazu bei, regelmäßig neue Inspiration für Verbesserung und Fortschritt zu erhalten sowie Kräfte zu bündeln. All das stärkt die Wettbewerbsfähigkeit und sorgt für mehr Stabilität und Sicherheit in Krisenzeiten. „Wir halten zusammen, in guten und in schlechten Zeiten“, fasst Eric Brouwers zusammen.
Dieser Bericht wurde im Rahmen des Agropole-Projekts geschrieben. Das Agropole-Projekt wird innerhalb des INTERREG-Programms Deutschland-Niederland durchgeführt und durch die Europäische Union, das MWIDE NRW und die Provinz Limburg gefördert.